Organspende

Pro und Kontra: Organspende

Vortrag von Bruder Klaus Schäfer SAC, Seelsorger der St. Vincentius Kliniken Karlsruhe, an der Volkshochschule Karlsruhe am 16.05.13

Bei dieser Veranstaltung haben die Teilnehmer sorgfältig aufbereitete Informationen erhalten und konnten auch sehr gut miteinander diskutieren. Der Referent, Bruder Klaus SAC, zeigte sich auch für Fragen der Bewertung von Organspende im Rahmen des christlichen Glaubens sehr offen und bot sehr schöne Denkansätze dazu an. Er positionierte sich klar pro Organspende, akzeptiert aber jedes begründete "Nein". Sein Ziel ist Aufklärung und die Beseitigung häufiger Irrtümer. Jeder soll selbst eine informierte Entscheidung treffen und diese den nächsten Angehörigen oder Vertrauten mitteilen sowie auf einem Organspendeausweis dokumentieren.

Weil ihn das Thema so sehr berührt, brachte Bruder Klaus Schäfer SAC Frühjahr 2012 zwei Bücher zur Organspende heraus:
Pro & Contra zur Organspende, Informationen zu einem notwendigen Thema ISBN 9783848204120, 11,90 Euro
Pro & Contra zur Organspende, über 555 Irrtümer richtiggestellt, ISBN 9783848204885, 20,90 Euro

In seinem Vortrag stellte Bruder Klaus zunächst die Situation der Organspende in Deutschland dar, die sich nach den Skandalen der letzten Zeit weiter verschlechtert hat. 2012 sank die Zahl der Organspenden um 12 %, 2013 nach aktuellen Angaben der DSO bereits um etwa 18 %. Die Organspendebereitschaft in Deutschland ist im europäischen Vergleich sehr gering. Weltweit ist Deutschland auf einem anderen Gebiet Spitze: es hat die größte Knochenmarkspenderdatei der Welt.
Die zentrale Frage bei der Organspende dreht sich um den Hirntod, dessen Diagnostik im Transplantationsgesetz genau vorgegeben ist. Wie tot ist hirntot? Darüber wird am meisten gestritten.
Um dazu Antworten zu finden, erklärte Bruder Klaus zunächst die Funktionen der einzelnen Gehirnteile. Eine zentrale Funktion hat der Hirnstamm. Er enthält das Atemzentrum. Fällt der Hirnstamm aus, fehlen existenzielle Grundfunktionen – die Atmung fällt aus. Dagegen schlägt das Herz automatisch.
Fällt die Atmung aus, wird der Mensch nach 5 Sekunden bewusstlos. Nach 30 Sekunden wird das Großhirn abgeschaltet (EEG-Nulllinie) und nach 10 Minuten treten schwerste Hirnschäden ein. Eine Reanimation des Herzens ist bis 30 Minuten nach Ausfall der Atmung möglich.
In Amerika gilt diese Definition des Hirntods: er tritt ein, wenn der Mensch nicht lebensfähig ist, also wenn die Atmung ausgefallen ist. Es gibt aber „Hirntote“, bei denen noch Aktivitäten des Großhirns messbar sind, d. h. bei denen ein EEG abgeleitet werden kann. Dieser Zustand gehört in Deutschland in den Bereich Koma. - In Deutschland gibt es eine weitreichendere Definition für Hirntod: es müssen Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm abgestorben sein. Das bedeutet, dass der Mensch keine Atmung, keine Wahrnehmung (auch kein Schmerzempfinden) und kein Bewusstsein mehr hat. Hirntod gibt es nur auf Intensivstationen mit künstlicher Beatmung, sonst würde auch das Herz aufhören zu schlagen und der Herztod automatisch eintreten. Ursachen für den Hirntod sind Hirnblutungen (ca. 60 %), Schädelhirntrauma, große Hirninfarkte und Herzstillstand (je 10 - 15 %). Wird in der Klinik der Hirntod diagnostiziert, kommt es zur Frage der möglichen Organspende, welche auch bei vorliegendem Organspendeausweis immer an die Hinterbliebenen gerichtet wird. Die Entscheidung für die Organspende hat weitere intensivmedizinische Maßnahmen bis zur Entnahme der Organe zur Folge. Fällt die Entscheidung gegen die Organspende, werden die Geräte abgeschaltet und der medizinische Tod durch Herzstillstand tritt ein.
Bruder Klaus wies außerdem anhand der Zahlen der DSO darauf hin, dass es keine 100 % Erfolgschance bei der Organtransplantation gibt. Die Funktionsraten der Transplantate nach 5 Jahren schwanken zwischen 55 % für die Lunge und 75 % für die Niere. Ziel einer Organtransplantation ist immer das Überleben des Patienten und das Verbessern seiner Lebensqualität. Außerdem stellte Bruder Klaus detailliert dar, wie Klinik, DSO, Eurotransplant und die Transplantationszentren bei einer Organspende zusammenarbeiten. Die Organentnahme bei einem Organspender beginnt erst dann, wenn alle in Frage kommenden Organe vermittelt sind. Dadurch können von der Hirntod-Diagnostik bis zur Explantation bis zu 2 Tage vergehen. In rund 70 % erfolgt sie jedoch innerhalb von 18 Stunden. Gemäß Transplantationsgesetz ist der Verstorbene in würdigem Zustand der Bestattung zu übergeben. Hinterbliebene haben das Recht, den Leichnam nach der Organentnahme zu sehen.
Die in der Diskussion so oft kritisierten Fälle (siehe Veranstaltung im Jubez, Frau Maier und ihre Initiative KAO), bei denen die Unmenschlichkeit der Organspende dargestellt wird, waren alle vor Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes (1997). Heute muss sich niemand mehr vor unwürdiger Behandlung fürchten.
Und was sagt die Kirche zum Thema Organspende?
Papst Benedikt XVI: "…eine besondere Form der Nächstenliebe…" "…Es wird daher notwendig sein, Vorurteile und Missverständnisse zu beseitigen, Misstrauen und Ängste zu zerstreuen, um sie durch Gewissheiten und Garantien zu ersetzen und in allen ein zunehmend sich weiter ausbreitendes Bewusstsein des großen Geschenks des Lebens zuzulassen."
Papst Jonannes Paul II: "…eine Geste, eine wahre Tat der Liebe…"
Bruder Klaus sprach sehr eindringlich über die Not und innere Zerrissenheit der Hinterbliebenen, wenn sie eine Entscheidung treffen sollen. Daher ist genügend Zeit für deren seelsorgerliche Betreuung so wichtig. Er wünscht sich, gemeinsam mit der DSO ein Internet-Forum für Hinterbliebene aufbauen zu können, in dem sie sich austauschen können. Dazu wäre allerdings ein besonderes geschützter Raum einzurichten, der ihnen die gewünschte Geborgenheit und Anonymität garantiert.
Eine wichtige Frage des Glaubens ist: Wann verlässt die Seele den Körper? Damit beschäftigten sich schon die Griechen, welche den Tod als Trennung von Seele und Körper definierten. Bruder Klaus sieht die Seele als "Bewusstsein und Wissen über das eigene Leben auf's Engste mit dem Gehirn verknüpft ". Nach seiner Sichtweise verlässt die Seele mit dem Hirntod den Körper. Ein Hirntoter ist also auch im religiösen Sinne tot.
Für uns Teilnehmer war dies eine gelungene Veranstaltung, die informativ war und zugleich die Diskussion über Ängste zuließ. Sie bot aber auch Denkmodelle zur Überwindung dieser Ängste an.

Ute Och